NACHSPIELZEIT

Grundsatzfragen

Fast sechs Jahre ist es nun her, dass der VfB den Profifussball in die VfB Stuttgart 1893 AG ausgegliedert hat. Das größte Projekt von Wolfgang Dietrich ist also mittlerweile trotz aller intensiv geführten Diskussionen (und einer unwürdigen Mitgliederversammlung im Juni 2017) längst Alltag beim VfB. Ein Alltag, der aber dem Vernehmen nach durchaus Anlaufschwierigkeiten hatte (so wurde in den ersten Jahren unter anderem die Trennung auch intern sehr strikt gelebt und schon ein Glückwunsch zum Geburtstag eines Spielers aus Richtung e.V. wurde zum Politikum). Zudem war der als Teil der Ausgliederung damals aufgesetzte Grundlagenvertrag eher dazu angetan, den e.V. deutlich zu schwächen, auch wenn dies seinerzeit nicht unbedingt das Ziel gewesen sein dürfte. Dennoch hat sich über die letzten Jahre die praktische Umsetzung definitiv als nachteilig für den e.V. erwiesen.

Nach nun fünf Jahren war es also an der Zeit, diesen Grundlagenvertrag einer größeren Revision zu unterziehen und zu schauen, wo Nachbesserungsbedarf besteht (kleine Anpassungen erfolgen regelmäßiger). Dies war schon damals bei Vertragsschluss so vorgesehen worden und wurde jetzt durch eine Projektgruppe umgesetzt. Dabei sind einige Anpassungen gemacht worden, die das Verhältnis von e.V. und AG nun auf eine deutlich gesündere Basis stellen sollen. Am 27. März hat der VfB eine entsprechende Meldung veröffentlicht, ich hatte mich schon im Vorfeld proaktiv nach Details erkundigt und möchte im folgenden auf ein paar Themen eingehen, zu denen ich vom VfB nach längerem Hin und Her dann offizielle Antworten bekommen habe. Vielen Dank auch an den Vereinsbeirat Michael Astor, der mir als Mitglied der Projektgruppe dazu telefonisch noch ein paar Zusammenhänge erläutert hat.

Um von vorn anzufangen: Einfach gesagt, regelt der Grundlagenvertrag als Teil mehrerer Vereinbarungen wie schon erwähnt die Rechtsbeziehung des VfB Stuttgart 1893 e.V. als Mutter mit seiner Tochtergesellschaft, der VfB Stuttgart 1893 AG. Teil des Vertrages sind die wechselseitigen Dienstleistungs- und Vergütungsvereinbarungen wie z.B. für Verwaltungsaufgaben, Betriebskostenverträge für Räumlichkeiten sowie Nutzungsvereinbarungen für Namens- und Markenrechte.

Wenn man sich die originale Fassung des Grundlagenvertrages anschaut und diese mit der neuen vergleicht (was Außenstehenden derzeit mangels Verfügbarkeit beider Dokumente leider nicht möglich ist …), dann gibt es laut Michael Astor zunächst gar nicht so viele sichtbare Änderungen. Interessant wird es aber im Detail, hier verbergen sich die Themen, die in der Umsetzung große Auswirkung haben. Und natürlich geht es in der Hauptsache um Geld.

Eine wesentliche Veränderung findet sich insbesondere in Teilen der Verrechnungssätzen, mit denen die AG Dienstleistungen an den e.V. weiterberechnet. Diese Dienstleistungen sind mannigfaltig und beinhalten unter anderem das Management aller Mitglieder-Daten oder das Marketing. Gleichzeitig ist der e.V. aber auch am NLZ beteiligt und trägt einen Teil der Kosten. Speziell dieses Beispiel ist gut dazu geeignet, die Schwierigkeiten mit der alten Konstellation zu verdeutlichen:

Im vergangenen Jahr wurde nach einer eingehenden Analyse beschlossen, dass die Finanzmittel für das NLZ deutlich erhöht werden müssen, um hier wieder im Vergleich mit anderen Bundesligisten wettbewerbsfähiger zu werden. Diese Erhöhung der Mittel hatte speziell für den e.V. (der über die U-Mannschaften ebenfalls am NLZ beteiligt ist) spürbare Auswirkungen, da das ohnehin schon angespannte Budget damit noch mehr belastet wurde.

Die Folge? Belange des e.V. inklusive seiner Abteilungen konnten nur noch eingeschränkt (teilweise gar nicht mehr) verfolgt werden oder wurden sogar zeitlich ganz verschoben. Um es an dieser Stelle noch mal deutlich zu sagen: Auch wenn der Fußball (m) sicherlich beim VfB alles überstrahlt, so gibt es dennoch auch weitere Abteilungen, die durchaus sehr erfolgreich in ihrem Sport sind und die ebenfalls finanziell ausgestattet werden müssen. Alleine die Leichtathletik versammelt mehrere Deutsche Meister:innen, Olympiateilnehmer:innen und einen Weltrekordhalter! Dazu kommen dann auch noch soziale Engagements, die der VfB als ein solcher großer Verein in Zukunft besser angehen kann.

Für die Verrechnungssätze gibt es so etwas wie „Branchenstandards“, die auch von anderen Bundesligisten mit ähnlichen Strukturen angewandt werden. Für den VfB wurden damals die Verrechnungssätze sehr niedrig angesetzt, im Schnitt sind diese bei anderen Vereinen deutlich höher. Oder mit anderen Worten: Die von der AG erbrachten Leistungen waren sehr teuer für den e.V., entsprechend viele Mittel wurden also abgezogen und nicht rückvergütet. Zu den Motivationen der damaligen Ausgestaltung des Vertrages kann spekuliert werden, wahrscheinlich war es aber vor allem wichtig, den Wert der AG auch dadurch möglichst hochzuhalten, um entsprechende Mittel bei Anteilsverkäufen generieren zu können (um „den VfB wieder im oberen Drittel der Bundesliga zu etablieren“, wie es damals hieß. Nun ja …).

Eine weitere Hürde für den e.V. sind zudem auch die mit einer Branchen-Exklusivität geschlossenen Sponsorenverträge. Wenn also für die AG ein Autobauer aus Stuttgart als Sponsor tätig ist, dann ist es dem e.V. nicht möglich, zur Generierung eigener Mittel einen anderen Stuttgarter Autobauer zu akquirieren. So sehen die Änderungen im Grundlagenvertrag nun zumindest vor, dass bei den Finanzströmen, die zum e.V. hinfließen, die Anteile an Sponsoringverträgen dahingehend gerechter berücksichtigt sind, als dass Leistungen, die der e.V. beispielsweise im Bereich des NLZ erbringt, stärker finanziell gewürdigt werden. Oder wie es der VfB formuliert:

Beispielhaft wurde, aufgrund der gestiegenen Anzahl von Mitgliedern, die Dienstleistung für die Mitgliederverwaltung angepasst. Zudem wurden, aufgrund des hohen Stellenwertes der richtungsweisenden Nachwuchsarbeit des Vereins und dem damit gestiegenen Interesse an Jugendmannschaften, die anteiligen Leistungen aus der Vermarktung angehoben.

Summa summarum standen dem e.V. also im Großen und Ganzen nur die Mitgliedsbeiträge zur Verfügung, die aber durch die Weiterberechnungen der AG zu einem großen Teil aufgefressen wurden. Unter diesem Aspekt war auch die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zu sehen, die im vergangenen Jahr beschlossen wurde. Ich vermute mal, dass die Mehreinnahmen durch die erhöhten Aufwände am Ende dem e.V. nicht wirklich etwas gebracht haben. Bis jetzt zumindest.

Wenn nun also die Erkenntnis reift, dass es bei diesem Vertrag Änderungen bedarf, dann muss nicht nur inhaltlich daran gearbeitet werden, sondern es müssen auch diverse Gremien zustimmen. Für den e.V. entscheidet das Präsidium, auf Seite der AG der Vorstand unter Zustimmung des Aufsichtsrats sowie bei wesentlichen Änderungen der Ankerinvestor (nebenbei: Vielleicht hat hier die neue Zusammensetzung des AR auch geholfen). Zudem ist es natürlich auch so, dass in der konkreten Ausgestaltung des Vertragswerkes beide Parteien auf einen Nenner kommen müssen. Hier dürft die AG grundsätzlich am längeren Hebel sitzen, schließlich findet sich dort mit dem Profifußball nicht nur das größte Asset, sondern schlicht auch das meiste Geld. Allem Vernehmen nach hat der Vorstand der AG hier in den Verhandlungen doch einige Zugeständnisse gemacht und so eine Neufassung des Vertrages in den relevanten Punkten ermöglicht.

Fazit

Ich denke, dass der neue Grundlagenvertrag ein wichtiger Schritt für den VfB als Ganzes bedeutet. Nicht nur wird damit der e.V. wieder handlungsfähiger, auch das Binnenverhältnis zwischen AG und e.V. sollte damit gestärkt werden. Claus Vogt und Alexander Wehrle werden ja nicht müde zu betonen, dass es „nur einen VfB gibt“. Die nun überarbeitete Fassung darf durchaus als wichtiger Schritt in diese Richtung verstanden werden. Toll wäre es, wenn der Vertrag im Sinne der Transparenz für alle einsehbar veröffentlicht werden würde, schließlich sollte da ja nichts Geheimes drinstehen.

Ja, dieses Thema ist nicht unbedingt „sexy“ und wird die, denen es in der Hauptsache eher um das Geschehen auf dem Fußballplatz geht, auch nicht wirklich interessieren. Was auch ok ist. Und hat der VfB nicht ganz andere, größere Probleme? Ja, hat er – auf mehreren Ebenen. Und nicht zu knapp (und dabei spreche ich nicht über durchschaubare Kampagnen Dritter).

Ich hoffe aber, dass der VfB davon abgesehen insgesamt damit für die Zukunft besser aufgestellt ist und auch als größter Verein Baden-Württembergs seiner Bedeutung wieder viel mehr gerecht werden kann. Am Ende steht dem e.V. so nun jährlich ein deutlicher größerer Betrag zur Verfügung, mit dem nicht nur die Abteilungen unterstützt werden, sondern auch im Verein am Ausbau professioneller Strukturen gearbeitet werden kann. Ein fahrlässiger Geburtsfehler der Ausgliederung ist damit zumindest für den Moment behoben.

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