NACHSPIELZEIT

Trauerspiel

Prolog

Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich es schon aufschiebe, diesen Blogartikel zu schreiben. Wochen? Eher Monate. Dabei hätte man aus alledem, was in diesem Jahr beim VfB Stuttgart passiert ist, ein Buch schreiben können. Eine vielschichtige Tragödie mit nur wenigen Lichtblicken.

Ich habe mich über die letzten Monate sehr bewusst zurückgehalten und viele Dinge nicht mehr kommentiert, egal ob hier im Blog oder auf Twitter. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, haben aber unter anderem mit der sehr volatilen und auch komplexen Situation beim VfB sowie der Diskussionskultur im Umfeld zu tun („Kultur“ ist natürlich das komplett falsche Wort, dazu aber später mehr). Aber das Jahresende steht an und da kann man schon mal zurückschauen, auch wenn dies kein Jahresrückblick im klassischen Sinne sein soll.

Rückschritte

In der VfB Stuttgart 1893 AG wird nicht nur Profifußball gespielt, sondern dort sitzt auch das (meiste) Geld, die Mitarbeitenden, das Know-how und die Kommunikation. Oder zumindest das, was man an der Mercedesstraße für Kommunikation hält. Denn was man da in diesem Jahr alles ertragen musste, hat viele Dinge schlicht noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon waren und sind. Egal, ob wir über eine desaströse Pressekonferenz, flapsige „Entspannt Euch mal“-Sprüche des Vorstandsvorsitzenden oder ein lächerliches Selbstinterview sprechen: Handwerklich ging schief, was nur schiefgehen konnte. Wann wird das endlich mal besser? Wahrscheinlich frühestens, nachdem man wieder Abos für VfB-TV abschließen kann, also irgendwann im Jahre 2036 oder so.

Als Alexander Wehrle sein Amt antrat, war ich durchaus positiv gestimmt, immerhin löste hier jemand mit nachgewiesener Erfahrung im Business den Vorstands-Azubi ab, der sich zuvor mit gemischtem Erfolg beim VfB versucht hatte. Und wenn man im persönlichen Gespräch ist, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass Alexander Wehrle bei einer breiten Palette von Themen schon weiß, wovon er spricht (oder zumindest jeweils gut vorbereitet ist). Einordnend sollte man dabei aber immer bedenken, dass er natürlich die Kunst der „zielgruppengerechten Ansprache“ auf das Beste beherrscht und man das Gesagt durchaus hinterfragen sollte. Und trotz alledem muss man nach den ersten Monaten den Eindruck gewinnen, dass den handelnden Personen beim VfB in diesem Jahr (mal wieder) viel zu viele Dinge entglitten sind.

Bei einer positiven Betrachtungsweise könnte man sagen, dass Alexander Wehrle einen klaren Plan verfolgt, der aus Sachzwängen heraus entstanden ist (die prekäre finanzielle Situation sei hier ein Beispiel), und diesen dann mit aller Konsequenz durchzieht. Wohl wissend um manch unpopuläre Entscheidung und den daraus resultierenden Gegenwind. Vielleicht ist es tatsächlich das, was der VfB in der aktuellen Lage braucht, dennoch fühlt es sich von Außen gesehen ganz und gar nicht gut, ja sogar falsch an. Für mich zumindest.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir uns auf der diesjährigen Mitgliederversammlung mit großen Augen angeschaut haben, als Wehrle das „Bonbonle“ Khedira, Lahm und Gentner zur Sprache brachte. Was sollten genau deren Aufgaben sein? Wie würden sie dem VfB weiterhelfen? Und warum stellt man jemanden ein, dessen Aufgabenprofil noch gar nicht klar definiert ist? Diese Verwunderung schlug dann am Folgetag in blankes Entsetzen um, als die Welt Zeuge einer der denkwürdigsten Pressekonferenzen wurde, die man beim VfB gesehen hat. Da saßen dann sechs Männer auf dem Podium, die mehr schlecht als recht erklären konnten, was denn nun der Zweck der Übung sei und in Bezug auf konkrete Inhalte komplett am Schwimmen waren. Wenn man dies dann auch noch im Kontext der internen Kommunikation betrachtet (Mislintat wurde ja erst kurz vorher über die Veränderungen informiert), dann kann man wahrlich nur den Begriff „Shitshow“ verwenden. Ich persönlich würde es auch nicht wollen, wenn ich als Verantwortlicher in dieser Weise vor vollendete Tatsachen gestellt werden würde und in diese nicht unwesentlichen Entscheidungen nicht eingebunden gewesen wäre.

Natürlich komme auch ich nicht um die Personalie Sven Mislintat herum. Der ehemalige Sportdirektor kann einiges auf der Habenseite verbuchen: Er ist Mitinitiator des „neuen Weges“ des VfB, hat mit Pellegrino Matarazzo den langlebigsten Trainer der letzten Jahre eingestellt, das Scouting auf neue, datenbasierte Beine gestellt (kein Wunder, immerhin ist er ja Mitgründer der Matchmetrics GmbH) und zudem hat er den VfB auf angenehm authentische Weise auch immer wieder nach Außen repräsentiert. Dennoch kann ich persönlich mehr als gut damit leben, dass er den VfB zu Ende November verlassen hat. So, jetzt habe ich es gesagt. Auch wenn ich ihn weiterhin als absolut fähigen Fußballfachmann sehe, so haben sich für mich am Ende auf der Soll-Seite doch zu viele Dinge angehäuft. Rein sportlich betrachtet, hat er einen unrunden Kader auf die Beine gestellt. Auch bei den Transfers fehlte ihm zunehmend das nötige Glück, zu wenige Wetten auf eine Entwicklung der meist recht jungen Spieler hat er gewinnen können. Er hat zu lange an Matarazzo festgehalten und in der Causa Wimmer dann als Führungskraft mit seinem Vorgehen und Äußerungen komplett daneben gelangt. Zudem war es ihm aus meiner Sicht irgendwann auch zunehmend wichtiger, sich und seine Marke zu positionieren. Diverse Aussagen in Interviews und geschickt fallengelassene Bemerkungen waren da sicher hilfreich. Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, hat man es ihm vonseiten der AG als Arbeitgeber auch wahrlich einfach gemacht, sich entsprechend darzustellen.

Und dann ist jetzt wieder Bruno Labbadia der Trainer des VfB. Mit einem Vertrag bis 2025! Ich kann diese Verpflichtung aus der unbedingten Notwendigkeit des Klassenerhaltes nachvollziehen. Auch die Vertragslaufzeit ist bei nüchterner Betrachtung wenig verwunderlich und erklärbar, denn wer würde schon einen Vertrag nur bis Ende der Saison unterschreiben (auch wenn ich mir das sehr gewünscht hätte)? Der VfB darf nicht erneut in die zweite Liga absteigen und da scheint Labbadia die logische Wahl. Gut finde ich sie trotzdem nicht, denn mir fehlt mit dieser Personalie absolut die Fantasie, wie sich der VfB weiter auf dem zuvor eingeschlagenen Weg halten und entwickeln soll. Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren, aber für mich steht der neue Trainer für Rückschritt denn Fortschritt. Und gliedert sich so leider hervorragend in das Bild ein, dass ich nun seit Monaten von der VfB Stuttgart 1893 AG habe. Hoffentlich kann Fabian Wohlgemuth das irgendwie aufbrechen, auch wenn dies fast unmöglich zu sein scheint.

Leerraum

Was geht eigentlich so beim VfB Stuttgart 1893 e.V.? Scrollt man auf der Website mal durch die News, wird man wenig finden. Ok, man hat im Juni endlich das lange angekündigte Positionspapier veröffentlicht, in dem viele gute Dinge stehen, das am Ende aber doch auch so allgemein ist, dass ich mir kaum die Diskussionen vorstellen will, die zu diesem Kompromiss geführt haben. Geburtstagsgrüße, Adventsabend und vereinzelt mal was zu den anderen Abteilungen. Aber welche Projekte gerade laufen? Welche Themen im Präsidium wichtig waren? Was der Vereinsbeirat in diesem Jahr so in Angriff genommen bzw. wo er unterstützt hat? Ideen und Ansätze, in welche Richtung der e.V. weiterentwickelt werden könnte? Alles im Großen und Ganzen Fehlanzeige. Einzig die Rede von Rainer Weninger und André Bühler auf der Mitgliederversammlung war ein positiver Fingerzeig mit klaren Aussagen.

Mir ist durchaus bewusst, dass die meisten VfB-Mitglieder und -Fans wahrscheinlich recht wenig Interesse an Belangen des e.V. haben und gut auch ohne weitere dazu Informationen leben können. Wenn ich mir allerdings anschauen, mit viel Nichtwissen dann doch immer noch ein nicht geringer Teil des Umfeldes unterwegs ist, dann könnte es nicht schaden sich auch mal damit zu beschäftigen. Dass es immer noch Menschen gibt, die die Strukturen beim VfB nicht verstanden haben, aber vor allem auf Social Media selbstbewusst dazu irgendwelchen Unsinn von sich geben, ist schon beeindruckend im negativen Sinne. Oft sind das dann aber auch diejenigen, die sich auch bei anderen Themen rund um den VfB nicht unbedingt mit Fakten oder Sachkenntnis aufhalten. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich weiß, dass man sich beim e.V. in sportlich unruhigen Zeiten lieber zurückhält und dem Profifußball die Bühne überlässt. Aber gleiche eine dermaßen dröhnende Stille muss auch nicht sein. Oder ist es dann doch so, dass man beim e.V. mal wieder allenthalben nur mit sich selbst beschäftigt ist und vor lauter Krisen und Unstimmigkeiten kaum zum Arbeiten kommt? Gräben in den Gremien erfordern schließlich viel Aufmerksamkeit und Energie, da bleibt sonst nicht mehr viel für anderes über. Oder stimmt das in der Presse kolportierte Bild hier gar nicht?

Mit zunehmendem Verlauf des zweiten Halbjahres hatte ich übrigens zwischendurch mal gedacht, ob der VfB eine neue Abteilung für „Apnoe-Tauchen“ gegründet hatte, so sehr ist Claus Vogt abgetaucht. Je mehr Unruhe sich im Club verbreitete, desto tiefer ging der Tauchgang. Gelegentlich mal ein Zitat in einer Verlautbarung des Vereins und ein mehr als unglücklicher Auftritt auf der oben schon erwähnten Pressekonferenz stehen zu Buche, sonst eher wenig. Konflikte bis zu einem gewissen Grad auch nach Außen moderieren? Dem VfB und seinen Mitgliedern Halt geben? Dem VfB gerade in dieser schwierigen Phase ein Gesicht geben? Nichts davon.

Es ist sicherlich so, dass das Amt eines Präsidenten viel von einer Person verlangt, manchmal vielleicht auch zu viel. Und man kann auch schlechte Phasen zugestehen. Wenn es aber so wie in den letzten Monaten immer unerträglicher wird, dann ist es meiner Meinung nach die verdammte Pflicht des Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden klare Kante zu zeigen! Stattdessen bekommt man eher den Eindruck, dass es mehr darum geht, den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen zu wollen. Und das ist mindestens enttäuschend, auch wenn ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann, dass die letzten Jahre wahrscheinlich auch ihre Spuren bei Claus Vogt hinterlassen haben. Die ständigen Angriffe gehen an niemandem einfach so vorüber und zermürben irgendwann.

Hoffnungsschimmer

Es wird nicht überraschen, dass ich noch ein paar Worte zum Fußball der Frauen verlieren möchte. Die Hafenbahnstraße ist für mich in Bezug auf den VfB ein wenig so etwas wie der „happy place“ geworden. Nicht nur ist es faszinierend dort der Entwicklung der Mannschaften zuzuschauen, es ist für mich mittlerweile auch der ehrlichere Fußball.

Im Verlauf dieses Jahres war schön zu beobachten, wie durch die Kooperation tatsächlich eine gewisse Professionalisierung eingesetzt hat. Das kann man in der Trainingsarbeit gut beobachten, sieht es aber zum Beispiel auch in der Medienarbeit. Heiko Gerber und seinem Team bei der Arbeit zuzuschauen, ist nicht nur interessant, sondern macht tatsächlich auch Spaß. Insbesondere vor dem Hintergrund des massiven Verletzungspechs ist es beeindruckend, was die Mannschaft zu leisten in der Lage ist. Es wird diese Saison sicherlich keinen Durchmarsch geben, bei dem dem VfB die Punkte nur so zufliegen. Vielmehr ist jedes Spiel und jede Trainingseinheit harte Arbeit und das sieht man mitunter auch. Dazu kommt auch der Druck, den das Wappen auf der Brust sicherlich mit sich bringt. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass dies auch dazu beitragen kann, dass eine nachhaltige Entwicklung möglich ist. Schön ist auch, dass das auch für die U17 gilt, die im vergangenen Jahr einen wahnsinnige Sprung gemacht hat.

Alles eitel Sonnenschein also? Nicht unbedingt, wenn ich das von Außen richtig beobachte. Mein Eindruck ist, dass dieses gesamte Projekt dann doch mehr Komplexitäten und Aufwände mit sich gebracht hat, als manche vielleicht gedacht hatte. Und dann ziehen sich die Gespräche mit den Verbänden genauso lange hin wie die Suche nach Sponsoren. Dauert es länger, bis etwa die Mannschaftsausstattung komplett vorhanden ist. Und man musste dann zu Saisonbeginn auch noch einen neuen Trainer finden. Außerdem bin ich mir tatsächlich nicht so sicher, ob die dann doch recht kurzfristige (man könnte auch sagen „übereilte“) Eingliederung in die AG unbedingt so gut war. Es mag ein Zeichen sein, wie wichtig der Fußball der Frauen für den VfB ist und wahrscheinlich ist es für die nötigen Geldflüsse auch einfacher. Ob das aber im Sinne der ursprünglich beschlossenen Kooperation war und man damit den VfB Obertürkheim auch etwas überfahren hat? Ich weiß es nicht.

Dennoch möchte ich es auch hier nicht versäumen dazu aufzurufen, mal zu einem Spiel in die Hafenbahnstraße nach Obertürkheim zu kommen. Es lohnt sich!

Der OFC „Achtzehnhundertdreiundneunuzig“ unterstützt die Frauenmannschaften seit Beginn der Saison mit einem Transparent und ist auch in persona immer vor Ort.

Vom schwierigen …

Das „Schwierige UmfeldTM“ beim VfB ist legendär, wenn auch in seiner Breite immer wieder deutlich überschätzt. Und so sitzen die „besorgten Mitglieder“ eher selten in der Cannstatter Kurve, sondern übergeben lieber im Rahmen eines Spiels ein selbst bezahltes Gutachten im Business-Bereich. Pierre-Enric Steiger, der auch aufgrund mangelnder inhaltlicher Substanz gescheiterte Ex-Präsidentschaftskandidat, war so um den Schlaf gebracht, dass er zu solch drastischen Mitteln greifen musste, um seiner Sorge Ausdruck zu verleihen. Wahrscheinlich aufgeschreckt durch die Änderung des §12 Absatz 8 (des in der Presse aus welchen Gründen auch immer sogenannten „Ron-Merz-Paragraf[en]“) auf der letzten Mitgliederversammlung hat er eine Prüfung angestoßen, die klären sollte, ob Tätigkeiten von drei Vereinsbeiräten diesem Teil der Satzung entgegenstehen würden. Man mag über die Motivation hinter diesem Vorgang spekulieren, reine Sorge um den Verein würde ich allerdings nicht unbedingt unterstellen wollen.

Gut vorstellen kann ich mir, dass es für manche ein innerer Reichspar inneres Blumenpflücken gewesen sein muss, ausgerechnet diesen Paragrafen für den Vorstoß verwenden zu können. Ich frage mich allerdings, ob man da nicht tatsächlich weit übers Ziel hinausgeschossen ist. Ganz grundsätzlich bin ich natürlich der Meinung, dass Regelungen der Satzung dazu da sind, eingehalten zu werden. Nicht umsonst gibt man sich ein Regelwerk, dass Zusammenleben im und Aufrechterhaltung des Vereins sicherstellen soll. Wenn man aber ein solches Gutachten in Auftrag gibt, dann sollte man sich auf Basis einer wasserdichten rechtlichen Einschätzung schon sehr sicher sein. Nun wurde das Gutachten ja zunächst vom VfB zurückgewiesen, was für mich die Vermutung nahelegt, dass es da dann wohl doch Lücken gab. Inwieweit lagen denn zum Beispiel die relevanten Informationen vor, die für eine abschließende Bewertung unerlässlich sind? Ich könnte mir vorstellen, dass es sich dabei in den Sachverhalten auch um Interna handeln muss, die einer dritten Partei eigentlich nicht vorliegen sollten. Oder wurde mit Annahmen gearbeitet, deren Richtigkeit zu überprüfen wären? Hat man die Entstehungsgeschichte bzw. Sinn und Zweck des Paragrafen umfassend berücksichtigt? Es gibt noch viele Fragen mehr, auf jeden Fall bin ich aber über die sehr klare Schlussfolgerung zum Sachverhalt dann schon verwundert.

Wenn ich die Zeitungsartikel richtig in Erinnerung habe, gab es in diesem Zusammenhang dann auch noch den Vorwurf, dass Claus Vogt hier seine Pflicht als Präsident verletzt habe, weil er dieses Gutachten nicht unmittelbar weitergegeben habe. Ich frage mich, woher das einfache Mitglied Steiger den Anspruch nimmt, dass dies so zu geschehen habe? Alles in allem eher ein Schuss ins Knie. Oder vielleicht doch nur ein Testballon?

… zum toxischen Umfeld

Schon der römische Politiker und Schriftsteller Cicero beklagte mit „O tempora, o mores!“ den Verfall der Sitten, insgesamt ist dies also ganz offensichtlich etwas, dass die Menschheit bereits seit Langem begleitet. Rund um den VfB konnte ich dies im vergangenen Jahr wie unter einem Brennglas insbesondere auf Twitter verfolgen. Dort, wo man sich einst so überlegen den Kommentaren auf Facebook fühlte, haben sich wirklich Abgründe aufgetan.

Die Geschehnisse rund um den VfB haben in diesem Jahr bei immer mehr Leuten die Trigger getroffen, die sie in eine Verschwörungsideologie haben abgleiten lassen (und ja, ich spreche ganz bewusst von „Ideologie“, denn eine „Theorie“ ließe sich ja mit Fakten widerlegen). Dass es mittlerweile eine Verwerfung innerhalb der Anhängerschaft des VfB gibt, lässt sich nicht mehr übersehen. Binäre Betrachtungsweisen beherrschen den Austausch, Zwischentöne findet man viel zu selten. Im Zusammenhang mit Verschwörungsideologien wird immer wieder davon gesprochen, dass für viele Menschen ein Abgleiten in solche Gedankenwelten mit einem Kontrollverlust zusammenhängt. Beim VfB scheint das für viele mit der Person Mislintat verbunden zu sein, bestes Beispiel dafür ist die Petition, mit der ein paar tausend Menschen solch eine (gefühlte) Kontrolle zurückgewinnen wollten. Dazu kommt dann noch die offensichtliche Erosion des Vertrauens in die handelnden Personen und schon entsteht eine explosive Mischung, die sich vor allem in den Sozialen Medien mittlerweile ungehindert Bahn bricht und an vielen Stellen keinerlei Maß mehr kennt. Nichts gegen einen inhaltlichen Dissenz, man muss nicht immer einer Meinung sein (und schon gar nicht meiner). Ein wirklicher Austausch ist aber (mir) in diesem Klima kaum noch möglich. Traurig bin ich allerdings darüber, dass es auch ein paar Menschen gibt, die mir so leider fremd geworden sind.

Übrigens: Es ist ein in der Satzung vorgesehener Vorgang, dass Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen können. Dies aber über eine Website orchestrieren zu wollen, die zwar fleißig Daten sammelt, deren Betreiber aber anonym bleiben wollen, ist mehr als fragwürdig. Ich finde nirgendwo auf der Website Hinweise darauf, wie denn mit den über das Formular gesammelten Daten umgegangen wird. Ist der Schutz der Daten und ein möglicher unbefugter Zugriff über entsprechende Maßnahmen wirklich gesichert? Kann man sich auf die lapidare Aussage zum Umgang mit den Daten auf der Website tatsächlich verlassen? Immerhin weiß man ja nicht, wo das landet … Davon abgesehen: „Wehrle raus!“ und „Vogt raus!“ sind mir als Konzept inhaltlich doch zu dünn, um das wirklich erst nehmen zu können. Aber macht mal, ist ja Euer gutes Recht.


Neben allen mehr oder weniger inhaltlichen Themen gibt es aber noch eine weitere Ebene, die in diesem Jahr deutlich zugenommen hat: Die der persönlichen Beleidigungen und Unterstellungen. Die Liste der Dinge, derer ich im Laufe der Monate bezichtigt wurde, ist lang und reicht von dem Vorwurf, dass ich mich über jede Niederlage der Mannschaft freuen würde (weil es meiner persönlichen Agenda der Übernahme des VfB diene 🤦🏻‍♂️) bis hin zu dem Vorwurf, in unterschiedlicher Art und Weise persönliche Vorteile aus dem VfB ziehen zu wollen. Über manches kann ich aufgrund der Absurdität und Dummheit nur müde lächeln, aber es gibt auch Dinge, die Grenzen deutlich überschreiten und mindestens Beleidigungen, noch öfter aber einfach Hatespeech sind. Beispiele? Bitte sehr, eine kleine Auswahl:

Wenn ich so etwas dann lese oder zugeschickt bekommen, denke ich mir oft: „Ach,im Grunde sollte ich mich nicht darüber aufregen, da wird halt einfach prinzipiell ins unterste Regalfach gegriffen.“ Dennoch, insbesondere Tweets wie im ersten Beispiel (der dann wieder gelöscht wurde) gehen deutlich zu weit. Es mag in unsere Zeit passen, dass viele im Schutze der Anonymität jegliche Hemmungen verlieren und ihren Hass, Hetze und Verleumdung ins Internet kotzen. Hinnehmen muss man dies aber noch lange nicht.

Deswegen: Sollte ich von solch persönlichen Angriffe in Zukunft mitbekommen, werde ich dies unter Umständen auch von dritter Seite nachverfolgen lassen. Das ist keine Drohung, aber da bin ich mittlerweile wirklich ganz schmerzfrei und werde nicht zögern. Dazu steht mein Angebot weiterhin, Themen vor einem Heimspiel im persönlichen Gespräch zu klären. Sagt mir doch ins Gesicht das, was ihr euch sonst nur unter Pseudonym vor dem Bildschirm traut.

Epilog

Während ich diesen Beitrag schreibe, sehe ich immer wieder Meldungen über das tägliche Training, lese über angeblich so harte Trainingspläne und Kartenvorverkäufe für die kommenden Bundesligaspiele. Und es berührt mich nicht. Das Schlimme: Ich weiß aus einigen Gesprächen mit ganz unterschiedlichen VfB-Fans, dass ich damit nicht alleine bin. Die Gründe mögen vielleicht jeweils andere sein, das Ergebnis ist aber ähnlich. Und das sollte beim VfB alle Alarmglocken schrillen lassen!

„Ja mein Gott, dann lass es halt!“ wird jetzt manch Leser*in denken. Und ehrlich, das ist wahrscheinlich gar nicht so falsch. Noch bin ich nicht so weit, aber dieser Punkt kommt aktuell immer näher. Und dann bin ich vielleicht irgendwann nur noch in der Hafenbahnstraße in Obertürkheim und verfolge mit, wie sich dort der Frauenfußball beim VfB entwickelt. Nicht die schlechteste Alternative.

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