NACHSPIELZEIT

Cold Calls

Gemeinhin versteht man unter Cold Calls ja „Initiativ-Anrufe durch Unternehmen gegenüber Privatpersonen.“ (Quelle: Wikipedia) und wer schon mal ein solches Gespräch führen durfte, weiß wie ätzend das in der Regel ist. Auch im Wahlkampf haben die Parteien und Politiker:innen in Zeiten von Corona das Telefon als Möglichkeit entdeckt, mit potenziellen Wähler:innen in Kontakt zu kommen. Was für die Politik noch relativ strikt geregelt ist, stellt sich in einem Wahlkampf einer Wahlphase beim VfB deutlich großzügiger, denn dort macht der Bewerber um das Amt des Präsidenten Pierre-Enric Steiger mit seinem Team rege Gebrauch vom Telefon.

Ich habe nun bereits mehrfach von diesen Telefonaten gehört und finde, dass darüber gesprochen werden sollte, denn insgesamt passt für mich dieses Vorgehen nicht zu dem Bild der gegenseitig respektvoll geführten Wahlphase. Zudem bekommt man so auch einen ersten Einblick auf inhaltliche Themen, nachdem wir ja noch immer auf das Zukunftskonzept von Herrn Steiger warten. Aus diesem Grund skizziere ich nachfolgend sowohl den Ablauf als auch Themen, wie sie in diesen Telefonaten besprochen worden sein könnten.

Disclaimer: Die in diesem Text verarbeiteten Aussagen aus Telefonat & Videokonferenz stammen aus direkten und indirekten Quellen und wurden mir z.B. in Form eines Gedächtnisprotokolls zur Verfügung gestellt. Im Rahmen meiner Sorgfaltspflicht gebe ich die Aussagen inhaltlich korrekt wieder und habe lediglich die Form für die Aufbereitung hier im Blog angepasst. Zum Schutz der Quellen wurden Namen und Orte anonymisiert.


Update vom 11. Juni 2021

Angesprochen auf diesen Artikel hat Herr Steiger heute in seiner Pressekonferenz u.a. zum Ablauf des Gespräches Folgendes gesagt (im Video auf seiner Homepage ab ca. 41:54):

„Der Fall, der hier beschrieben worden ist, das kann ich ganz deutlich sagen, der hat einen etwas anderen Einstieg. Und zwar jemand aus meinem Team kennt seit Jahren, in dem Fall ist es nämlich eine Dame gewesen, weil es überhaupt nur zwei Telefonate meinerseits gegeben hat, kann ich es auch genau eingrenzen, und diese Dame, die seit vielen Jahren mit im VfB angestellt ist, hat – so ist es eben mir rüberkommuniziert worden – den Wunsch geäußert, dass sie mit mir mal ins Gespräch kommen wollte und ob ich mich bei ihr mal melden könnte.“

Diese Aussage ist falsch! Vonseiten der angerufenen Person gab es zu keinem Zeitpunkt eine Initiative zu einem Gespräch mit Herrn Steiger. Der initiale Kontakt erfolgte, wie unten beschrieben, durch ein Mitglied des Teams Steiger, der das Gespräch mit Herrn Steiger angeboten und im weiteren Verlauf dann eingefädelt hat. Die Verbindung dieses Teammitgliedes zu Herrn Steiger war der angerufenen Person vor diesen Telefonaten nicht bekannt, daher hätte die Initiative auch gar nicht über diesen Weg ergriffen werden können. Um das also nochmals deutlich zu machen: Das Team Steiger und damit auch Herr Steiger selbst haben proaktiv den Kontakt gesucht, der in der Pressekonferenz dargestellte Ablauf entspricht nicht der Wahrheit.


Das Telefonat

Irgendwann im Mai klingelt im Großraum Stuttgart bei „Gregor“ das Telefon und am anderen Ende spricht eine Person – wollen wir sie mal „Benni“ nennen -, die ihm entfernt aus dem weiteren Umfeld des VfB bekannt ist (was tatsächlich auch der Grund war, den Anruf überhaupt erst entgegenzunehmen). Man kommt ins Plaudern und spricht über allerlei Dinge rund um den VfB, wie zum Beispiel den Frauenfußball. Dann wird es langsam konkreter, es fallen Sätze wie „Du bist doch auch eher Anti-Vogt“ und es wird ein persönliches Gespräch mit Steiger angeboten. Und auch wenn Gregor sich nicht als „Anti-Vogt“ bezeichnen würde, nimmt er dieses Angebot aus grundsätzlichem Interesse an.

Noch am selben Tag klingelt erneut das Telefon und Pierre-Enric Steiger meldet sich. Dies ist der Auftakt in ein ca. einstündiges Gespräch, in dem ein bunter Strauß von Themen zur Sprache kommen wird:

  • Zunächst geht es um die Verbindung zum VfB-Freundeskreis: Dort ist Steiger Mitglied und man sei aber zur Zeit seines Einstieges innerhalb der Gruppe sehr zerstritten gewesen und hätte ihn als neutrale Person gebeten, Präsident des Freundeskreises zu werden. Dies habe sich dann aber später erledigt, sodass er dieses Amt nicht übernehmen musste und er sich stattdessen überlegt hat, dann eben beim VfB Präsident werden zu wollen.
  • Auch in diesem Gespräch betont Steiger, dass er Herrn Porth nicht kenne.
  • Dann geht es um seine Bewerbung, bei der er nach seiner Einschätzung sogar den Vereinsbeirat während der Gespräche mit seinen Fragen „überraschen“ konnte.
  • Eines der wichtigsten Ziele als Präsident sei es, die Abteilungen des e.V. zu stärken, da diese ja so schlecht dran seien.
  • Als Präsident würde er sich medial zurückhalten wollen, denn was habe eine Präsident in den Medien zu suchen?
  • Natürlich geht es auch um die AG, denn das Arbeiten in einer AG sei schließlich sein „Tagesgeschäft“.
  • Zusätzlich würde er auch daran arbeiten wollen, dass die Zusammenarbeit zwischen e.V. und AG insbesondere in finanzieller Hinsicht überdacht wird, denn im aktuellen Konstrukt würden dem e.V. ja aufgrund der vereinbarten Zahlungen kaum Geldmittel bleiben.
  • Im Gespräch kommt vonseiten Steigers auch die Frage auf, ob die Stimmung in der AG nicht nach allem, was man hört, so schlecht wäre und viele Mitarbeitende sehr unzufrieden seien. Und dann gäbe es ja auch noch das Thema „Betriebsrat“ und die Frage, wer da wohl dahinterstecken würde?
  • Zudem wisse er übrigens auch, warum Thomas Hitzlsperger im Dezember des vergangenen Jahres seinen offenen Brief geschrieben hat (weil er nämlich „hintergangen wurde“).
  • Nun langsam zum Schluss kommend bedankte sich Herr Steiger für das Gespräch und bot an, dass sich gerne auch weitere interessierte Bekannte/Kollegen mit Gesprächsbedarf bei ihm melden können.

Etwas ratlos nach diesem Gespräch zurückgelassen, bei dem Gregor den Eindruck eines „aalglatten“ Gesprächspartners mit wenig Inhalt gewonnen hat, klingelt erneut das Telefon. Erneut ist Benni in der Leitung und will wissen, wie denn das Gespräch so war. Und wie die Meinung zu Steiger ist und dass dieser doch schon jemand sei, der „gut wählbar“ ist? ODER?!

Weiterhin unverbindlich bleibend beendet Gregor dann auch dieses Gespräch.


Bewertung

Selbstverständlich ist es völlig legitim und zu begrüßen, wenn ein Bewerber um das Amt des Präsidenten mit Mitgliedern des VfB und Menschen aus dem Umfeld in das Gespräch kommen will, auch deswegen bietet Pierre-Enric Steiger auf seiner Homepage ja Gesprächstermine für interessierte OFCs an. Beide Kandidaten haben schließlich mit der Situation umzugehen, dass aufgrund von Covid-19 viele persönliche Treffen entfallen und man alternative Wege des Austausches finden muss. Im Falle von Steiger ist dies sogar eminent wichtig, da ihm die Bekanntheit des aktuellen Amtsinhabers Claus Vogt fehlt.

Das Telefon scheint für das Team Steiger und den Bewerber selbst wohl eine so große Rolle zu spielen, dass es zu einem derart wichtigen Instrument in der so proklamierten „Wahlphase“ geworden, dass nicht nur Mitglieder angerufen werden, sondern sich wohl auch die Abteilungsleiter beim VfB sehr regelmäßiger Anrufe „erfreuen“ dürfen, was wiederum nicht bei allen gut ankommen soll. Ein Initial-Anruf im NLZ hat dem Vernehmen nach ebenfalls bereits zu Verstimmungen geführt. Ganz allgemein scheint wohl bei manchen Personen beim VfB der Eindruck entstanden zu sein, dass sich hier schon jemand aufführt, als wäre er bereits gewählter Präsident.

Nicht nur der Ton macht in diesem Falle die Musik, noch entscheidender sind die Inhalte. Wenn ich davon ausgehe, dass viele dieser oben skizzierten Telefongespräche ähnlich ablaufen, dann bleibt für mich festzuhalten, dass es mit der offenen und fairen „Wahlphase“ nicht ganz so weit her sein kann. Mit wenig verhohlenen Sticheleien gegenüber dem Mitbewerber auf Stimmenfang zu gehen gehört zwar irgendwie zu einem Wahlkampf, steht aber klar dem Bild gegenüber, dass Steiger gerne in der Öffentlichkeit von sich präsentiert.

Ein Bild, das bei genauem Hinschauen sowieso schon längst Risse bekommen hat. Noch immer tut sich Steiger als Ankündigungsweltmeister hervor, möchte Ideen und Konzepte erst mal prüfen lassen und verweist bei der Frage nach konkreten Inhalten und Themen auf ein in der Erstellung befindliches Zukunftskonzept, das spätestens Mitte diesen Monats erscheinen soll.

Auf Twitter war ihm die Gründung der Abteilung für Frauenfußball gerade mal einen läppischen (unkommentierten!) Retweet wert. Was hätte dagegen gesprochen, die Gründung der Abteilung zu begrüßen und zu versprechen, sich im Falle einer Wahl weiter für die Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs einzusetzen? Keine Worte fand Steiger auf Twitter (erneut nur ein Retweet) auch zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft von Fabian Heinle. Sind ihm die Abteilungen des VfB am Ende doch nicht so wichtig, wie er immer tut? Oder haben er und sein Team einfach die Sozialen Medien nicht verstanden?

Interessant erscheinen mir auch die von ihm angebotenen Videokonferenzen mit OFCs, in denen ebenfalls diverse Aussagen getätigt werden. Da wird dann zum Beispiel darüber gesprochen, dass auf Twitter ja eine Hetze gegen Personen stattfinden würde, die sich gegen Claus Vogt positionieren. Er selbst habe da zwar noch relativ wenig abbekommen, aber es gäbe ja schon eine starke Gruppe für Claus Vogt, die da sehr aktiv wäre. Insgesamt müsse man sich da dann schon die Frage stellen, inwieweit es mit Claus Vogts Wertevorstellungen übereinstimme, wenn über gewisse Personen „Kübel ausgeleert“ werden.

Zugutehalten müsse man Vogt, dass er die Gräben in Richtung der Kurve zuschütten konnte. Allerdings habe er nun neue Gräben zur Haupttribüne aufgerissen.

Zudem hoffe er auf eine rege Teilnahme der Mitglieder an der MV, da er sich ab einer Zahl von ca. 3.000 Teilnehmern bessere Chance ausrechne und die „große schweigende Mehrheit“ dann auch „die Kurve“ überstimmen könne. Solche Zahlenspiele erinnern wahrscheinlich nicht nur mich an all das, was u.a. vor der Ausgliederungs-MV so gelaufen ist …

Niemand sollte sich von dem von Steiger geprägten Begriff „Wahlphase“ blenden lassen, denn dieser ist nichts anderes als eine Nebelkerze, die nach außen hin verschleiern soll, was tatsächlich hinter den Kulissen läuft. Es spricht nichts dagegen, in der Phase der Bewerbung um ein Amt auch Wahlkampf zu machen. Dann aber sollte man auch dazu stehen und nicht von Zurückhaltung und „#Transparenz“ sprechen, während man im Hintergrund schwere Geschütze auffährt und nicht nur den Mitbewerber, sondern auch Teile der Fans bzw. Mitglieder diskreditiert. Jemand, der sich dazu entscheidet, eine Wahl so gewinnen zu wollen, wird es bei mir persönlich mehr als schwer haben, Vertrauen in Person und Arbeit zu gewinnen.

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