NACHSPIELZEIT

Dieser ewige Moment

Ich weiß gar nicht, wann in der nun abgelaufenen Saison der Zeitpunkt gekommen war, an dem der Erfolg des VfB Stuttgart für mich selbstverständlicher geworden ist. Noch sehr präsent sind mir aber die Gedanken nach den ersten wenigen Spielen, alles dafür zu tun, diesen Moment zu genießen, solange er währt. Dass es sozusagen ein „ewiger Moment“ für die ganze Saison werden sollte, war damals natürlich nicht abzusehen.

Es ist müßig über alle die Höhen und noch mehr Tiefen zu sprechen, durch die die Fans des VfB in den letzten zu vielen Jahren gehen mussten. Zumindest auf mich hat diese Zeit einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und mich auch weit in die Saison 2023/24 begleitet. Ein 5:0-Sieg am ersten Spieltag? Schön, aber wahrscheinlich nur ein Strohfeuer. Die deutliche Niederlage danach? Typisch VfB, so wird es weitergehen. Ging es nicht, aber mir sind lange noch vor jedem Spiel genügend Gründe eingefallen, warum es gerade in diesem Spiel wieder für den VfB schiefgehen könnte. Aber selbst das ist irgendwann in den Hintergrund getreten.

An diesem Umstand kann ich für mich am besten festmachen, warum ich der Mannschaft, dem Trainerteam und allen anderen Verantwortlichen so dankbar bin. Weil es nach all der Schei*e auf eine Weise besser geworden ist, mit der ich niemals gerechnet habe. So viel besser, dass sogar dem VfB-typische Bruddeln jede Grundlage entzogen wurde (wir sprechen hier allerdings auch nur über den Sport!) oder dieses wenn überhaupt nur auf allerhöchstem Niveau erfolgte.

Wenn man im Erfolg zurückschaut wird auch nochmal klarer, wie sehr die schlechten Zeiten auch ganz persönliche Auswirkungen hatte. Zu oft habe ich mir nach schlechten Spielen das Wochenende verderben lassen. Zu groß war der Pessimismus in Bezug auf das, was die 11 Akteure da auf dem Rasen veranstaltet haben. Das schleicht sich dann immer mehr ein und versaut auch ein bisschen eines der liebsten Hobbies. Und das ist schade.

Sebastian Hoeneß und sein Trainerteam haben das im laufe der nun hinter uns liegenden Saison ins komplette Gegenteil verkehrt. Unser Cheftrainer ist für mich nicht nur der sympathischste Trainer seit langem, sondern kommt mir selbst auch mit seiner ruhigen, zurückhaltenden und betont sachlichen Art sehr entgegen. Dass hinter dieser Auftreten trotzdem viele Emotionen brodeln, wurde spätestens mit seinem „Nächstes Jahr spielen wir gemeinsam Champions League verdammte Schei*e!“ klar. Grundlage für den Erfolg ist aber sicherlich diese enorme fachliche Entwicklung, die er genommen hat. Nach der durchwachsenen Zeit im Stadion an der A6 hat er es tatsächlich geschafft einen Spielstil zu entwickeln, den Experten sogar für besser als den von Leverkusen befinden (beim Rasenfunk ab Minute 40 nachzuhören). Wer hätte das vor Jahresfrist gedacht?

Waldemar Anton und die gesamte Mannschaft haben natürlich genauso großen Anteil. Weil sie das aufgesogen haben, was das Trainerteam ihnen mitgegeben hat und weil sie es in einer ständigen Weiterentwicklung immer besser umgesetzt haben. Weil (fast) jeder auch individuell besser geworden ist. Vor allem aber, weil sie wirklich als Team zusammenstehen und so allen Widrigkeiten getrotzt haben. Egal ob teils schwere Verletzungen oder Abwesenheiten wegen internationaler Turniere: Die Mannschaft hat immer die Ausfälle kompensiert weil das Ganze immer wichtiger war (und ist) als die einzelnen Teile. Ich glaube, dass dies irgendwann auch auf die Fans übergesprungen ist, was sich durch den nochmal krasseren Support die ganze Saison über gezeigt hat. Diese Leistung können wir alle gar nicht hoch genug schätzen!

Fabian Wohlgemuth darf ebenfalls in dieser Reihe nicht fehlen. Er hat es tatsächlich geschafft, aus dem immer unbestritten talentierten Kader ein Gebilde zu formen, dass seine Potenziale auch tatsächlich nutzen konnte. Nicht nur weil er gemeinsam mit dem Trainer die passenden Spielerprofile verpflichten konnte, nein er hat auch dafür gesorgt, dass die Mannschaft von ihren Typen hier besser zusammengestellt war. Und das alles immer mit einer gewissen berlinerischen Gelassenheit, die auch im Angesicht der Champions League nicht ihre Authentizität verloren hat. Sollte er dann demnächst tatsächlich zum Sportvorstand befördert werden, dann wünsche ich ihm natürlich weiterhin dieses glückliche Händchen bei seinen Entscheidungen!

Ergebnisse sind flüchtig, was am Ende zählt sind die Momente und das was man dabei fühlt. Diese Saison ist so voll von Emotionen, dass es schon fast nicht mehr zu fassen ist. Wie oft wurde der Begriff „surreal“ verwendet, wenn man die abgelaufene Spielzeit beschreiben wollte. Mit der Realität, an die wir VfB-Fans uns gewöhnt hatten, hat sie tatsächlich nicht mehr viel zu tun. In den Stadien Europas werden wir in nicht allzu ferner Zukunft aber sehen, wie wirklich diese neue Realität tatsächlich ist.

Vielleicht ist der Erfolg des VfB in dem Moment wirklich ins Bewusstsein gesackt, an dem „Stuttgart international …“ ein ständiger Ohrwurm wurde. Gehen wir auf die Reise und genießen gemeinsam diesen ewigen Moment!

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