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Reibungslos

154 Tage nach der denkwürdigen Mitgliederversammlung im Juli kam die (an diesem Abend immer wieder heraufbeschworene) VfB-Familie zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammen. Es standen wichtige Abstimmung und Wahlen an, alle eine Folge der Ereignisse im Sommer.

Die Hans-Martin-Schleyer-Halle war mit gut 2.000 Mitgliedern letztendlich nur leidlich gefüllt. Ein Umstand, der nicht neu ist, mich aber jedes Mal wieder den Kopf schütteln lässt. Selbstverständlich gibt es viele valide Gründe, warum man an einer MV nicht teilnehmen kann. Seien es private oder berufliche Dinge, die weite Anreise oder Sonstiges. Trotzdem würde ich erwarten, dass im Umkreis von z.B. 70 Kilometern rund um Stuttgart mehr VfB-Mitglieder wohnen als dann letztendlich da waren. Wir Mitglieder haben derzeit nur wenige Möglichkeiten, beim VfB etwas aktiv mitzugestalten, die Möglichkeit zu wählen ist dabei mit die Wichtigste. Dass dies dann so wenig genutzt wird, ist für mich einfach enttäuschend.

Insgesamt, soviel kann man vorab sagen, war diese Mitgliederversammlung von einer großen Sachlichkeit und Ruhe im Ablauf geprägt. Von Seiten des VfB hatte man auf jegliches Entertainment während der Veranstaltung verzichtet (z.B. Auftritt der Mannschaft, Trainerinterview etc.) und so den Fokus dankenswerter Weise ganz auf die Inhalte gelegt. Auch die Anpassung der Geschäftsordnung in Bezug auf die Möglichkeiten bei Abstimmungen (es ist nun auch wieder möglich, „analog“ mit Stimmkarten abzustimmen) sorgte mit dafür, dass die gesamte Veranstaltung sowohl technisch als auch organisatorisch reibungslos ablief. Alles andere wäre bei der vollgepackten Tagesordnung auch noch anstrengender geworden.

Ich will nicht auf auf alle Wahlen und Redebeiträge eingehen, mir aber doch zwei rausgreifen: Die Rede von Thomas Hitzlsperger und natürlich die Wahl zum neuen Präsidenten.

Thomas Hitzlsperger hat gestern zum ersten Mal in seiner neuen Funktion als Vorstandsvorsitzender zu den Mitgliedern gesprochen und hat meinem Eindruck nach sowohl die Inhalte als auch etwas die Tonalität angepasst. Er griff das Bild von der „Familie“ auf und beschwor so die Einheit im Verein (auch wenn der Streit um das bessere Konzept durchaus dazugehören solle). Insgesamt war weniger Sport, dafür mehr Strategie. Er sagte unter anderem:

  • Der VfB muss und wird sich in Zukunft zu gesellschaftlichen Themen eindeutiger und sichtbarer positionieren
  • Der VfB möchte seine Umweltleistung verbessern und sich in diesem Zuge von der DEKRA zertifizieren lassen
  • Am Standort Mercedesstraße soll eine Art Campus entstehen, der möglichst viele der zur Verfügung stehenden Flächen beinhaltet und auch Standort eines neuen Clubzentrums werden soll (Gespräche mit der Stadt Stuttgart laufen bereits)
  • Und zuletzt soll der VfB auch als Arbeitgeber attraktiver werden und so die besten Köpfe in die unterschiedlichen Bereiche bei Verein und AG locken.

Ich persönlich fand es sehr gut, dass er in seiner Rede auch diese Schwerpunkte gesetzt haben, da sich mich genauso interessieren wie alles rund um den Sport. Es zeigt darüberhinaus, dass sich der VfB auch in diesen Themenbereichen aufmacht und neue Wege gehen will (tatsächlich tut er das schon, wenn auch noch weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Ich bin sehr gespannt, wie die Entwicklung dieser strategischen Themen weitergehen wird und werde das hier im Blog weiter begleiten.

Der wichtigste TOP war am 15.12. aber natürlich die Wahl des neuen Präsidenten. Mit Claus Vogt und Christian Riethmüller standen zwei Kandidaten zur Wahl, den ich beiden zugetraut habe, den VfB in eine richtige Richtung zu lenken. Der Wahlkampf in den Wochen seit dem 11. November war von den beiden Kandidaten fair geführt und wurde nur durch verschiedene Störfeuer überschattet, deren Herkunft und Motivation man bisher nicht wirklich klären konnte. Vor der Wahl bekamen beide Kandidaten nochmals 15 Minuten Redezeit, um sich den anwesenden Mitgliedern ein letztes Mal zu empfehlen. Und wer im Wahlkampf vielleicht zu wenig Unterschiede gesehen hat, konnte die durchaus vorhandenen Unterschiede in den beiden Reden eindrucksvoll besichtigen.

Christian Riethmüller schaltete als erster Redner gleich auf Angriff, war in Ton und Körperhaltung sehr offensiv und hatte sich offensichtlich vorgenommen, die noch unentschiedenen Mitglieder damit auf seine Seite zu ziehen. Dies ist ihm meiner Einschätzung nach mit seiner Rede auf den letzten Metern auch durchaus gelungen. Inhaltlich legte er die Schwerpunkte zunächst auf die oben erwähnten Störfeuer in seine Richtung, seine Persönlichkeit mit „Ecken und Kanten“ und dann noch auf einige wenige inhaltliche Punkte. Ingesamt eine mitreißende Rede, der es in meinen Augen aber an Inhalt fehlte.

Ganz anders trat im Anschluss Claus Vogt auf. War Riethmüller schon nach wenigen Minuten hinter dem Rednerpult hervorgetreten und an den Bühnenrand gegangen, nahm Vogt er eine präsidiale Rednerhaltung ein und blieb an Ort und Stelle. Klar erkennbar legte er mehr Wert auf die Inhalte und umriss nochmal die wichtigsten aus dem Wahlkampf bekannten Punkte. Allerdings gelang es ihm damit hörbar nicht, das Publikum zu aktivieren, der Applaus war deutlich zurückhaltender als bei seinem Vorredner. Ich selbst dachte, dass er an ein oder zwei Stellen in seiner Rede etwas Fahrt aufnehmen würde, dies war aber leider nicht der Fall. Ingesamt ging hier der Punktsieg aus meiner Sicht an Christian Riethmüller und die Wahl versprach doch nochmal enger zu werden als gedacht.

Dieser Umstand war es auch, der dann bei mir während des Wahlvorganges und der Auswertung der Stimmen dazu führte, eher pessimistisch auf das Wahlergebniss zu warten (ich hatte mich ja schon vor der MV für Claus Vogt ausgesprochen). Das Ergebnis ist bekannt, Vogt gewann die Wahl letztendlich, aber lange nicht so deutlich, wie es zwischenzeitlich vielleicht anzunehmen war.

Christian Riethmüller war ein toller Kandidat, der hoffentlich an anderer Stelle beim VfB mitarbeiten wird. Und Claus Vogt muss jetzt liefern. Seine Konzepte umfassend vorstellen und dann auch umsetzen. Ich bin sehr gespannt, was auf ihn alles im „Giftschrank“ wartet (ich sage nur: Verhandlungen mit einem zweitem Investor) und wie er in der vorhandenen Struktur zurechtkommen wird. Ich traue ihm persönlich zu, viel für den VfB bewegen zu können. Weil er die notwendigen Voraussetzungen dafür mitbringt aber auch, weil er es selbst als Fan im Herzen am meisten will. Ich bin gespannt.


Weitere Texte zur aoMV gibt es beim Vertikalpass und bei Rund um den Brustring. Im Podcast VfB STR haben wir unmittelbar nach der Veranstaltung ein erstes Fazit gezogen (verfügbar über alle üblichen Kanäle).

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